1. Grundsatz: „Vereinbart“ schlägt „Üblich“
Gemäß § 632 Abs. 2 BGB gilt für Werkverträge:
„Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so gilt die übliche Vergütung als vereinbart.“
Das bedeutet: Nur wenn keine Preisvereinbarung getroffen wurde, spielt die „Üblichkeit“ (z. B. BVSK-Werte oder Tabellen) überhaupt eine Rolle.
Sobald ein Preis individuell vereinbart wurde, ist dieser vorrangig.
Versicherer, die sich auf vermeintliche „Überhöhungen“ berufen, müssen daher die Unwirksamkeit der Vereinbarung beweisen – kein einfaches Unterfangen.
2. Bedeutung für Sachverständige und Werkstätten
Die Versicherer versuchen häufig, individuell vereinbarte Preise (z. B. für Gutachterhonorare, Verbringungskosten, UPE-Aufschläge, Lackmaterialzuschläge) mit der Begründung anzufechten, sie seien „nicht ortsüblich“ oder „überhöht“.
Das Urteil des AG Frankfurt a. M. vom 23. 07. 2025 zeigt deutlich:
Solange eine klare, verständliche und dokumentierte Preisvereinbarung vorliegt, ist diese verbindlich und wirksam.
3. Der Fall
Zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen wurde ein Gutachterauftrag abgeschlossen, der Folgendes enthielt:
Das Grundhonorar wurde anhand der Schadenhöhe festgelegt,
die Nebenkosten orientierten sich an den Sätzen des JVEG,
beide Preisbestandteile waren im Auftrag ausdrücklich vereinbart und unterzeichnet.
Der Auftrag verwies auf ein beigefügtes Honorartableau sowie auf die Bestimmungen zur Honorarberechnung, die Bestandteil des Vertrags wurden.
4. Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt a. M.
Das Gericht hielt die Vereinbarung für voll wirksam:
„Die Honorarvereinbarung ist wirksam. Der Geschädigte hat durch seine Unterschrift den Vertragsinhalt bestätigt.
Eine weitergehende Aufklärung über Rechte und Pflichten war nicht erforderlich.
Die Vereinbarung verstößt weder gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) noch ist sie inhaltlich unangemessen.“
Das Gericht betonte außerdem:
Die Preistabelle sei klar und nachvollziehbar,
die Orientierung des Grundhonorars an der Schadenhöhe sei üblich und sachgerecht,
die Vereinbarung benachteilige den Geschädigten nicht unangemessen.
5. Rechtliche Bewertung
Dieses Urteil stärkt die Position freier Sachverständiger und reparierender Werkstätten erheblich:
Eine individuell unterschriebene Preisvereinbarung verdrängt jeden BVSK-Vergleich oder Prüfbericht.
Der Versicherer kann sich nicht auf § 315 BGB (billiges Ermessen) berufen, wenn der Preis bereits bestimmt wurde.
Eine solche Vereinbarung ist kein AGB-Konstrukt, sondern Teil des individuellen Werkvertrags.
Für die Praxis bedeutet das:
Eine sauber dokumentierte Preisvereinbarung im Auftrag ist das sicherste Mittel gegen Kürzungen.
6. Praxis-Tipp für Gutachter und Werkstätten
Preisvereinbarung immer auf dem Auftrag vermerken („siehe beigefügtes Honorartableau / Preisliste“).
Unterschrift des Auftraggebers (Geschädigten) einholen.
Tabellen oder Listen beifügen und ausdrücklich in den Auftrag einbeziehen.
In digitalen Aufträgen: PDF-Anhang mit Preistabelle dokumentieren und im System archivieren.
➡️ Nur so ist die Vereinbarung nachweisbar und durchsetzbar.
7. Fazit
Das Urteil des AG Frankfurt a. M. (23. 07. 2025, Az. 30032 C 226/24) ist ein Meilenstein für die Preisvereinbarungspraxis im Kfz-Schadensektor.
Es bestätigt:
Eine individuelle, transparente und unterschriebene Preisvereinbarung nach § 632 Abs. 2 BGB ist wirksam und bindend – unabhängig von Tabellen oder Prüfberichten.
Damit wird klar:
Vereinbart schlägt üblich“ – und das gilt auch für Sachverständigenhonorare.