Das Gutachterwesen ist ein zentraler Bestandteil der Schadensregulierung bei Kfz-Unfällen. Idealerweise sollte es darauf ausgelegt sein, eine neutrale, objektive und umfassende Schadensbewertung sicherzustellen, sowohl im Interesse des Geschädigten als auch der Versicherung. Die Realität sieht jedoch oft anders aus, insbesondere wenn Versicherungen große Prüforganisationen beauftragen, deren Ziel es sein kann, die Kosten für Reparaturen zu senken.
Ein Kfz-Gutachter sollte unabhängig und nicht weisungsgebunden sein. Seine Aufgabe besteht darin, den Schaden gemäß den Herstellervorgaben zu bewerten und zu dokumentieren. Er sollte neutral arbeiten und sowohl den tatsächlichen Schaden als auch die notwendigen Reparaturen erfassen, ohne Einflussnahme von außen. Ein freier Gutachter arbeitet ausschließlich im Interesse des Geschädigten und erstellt ein Gutachten, das als Grundlage für eine faire Schadensregulierung dient.
In der Praxis setzen Versicherungen häufig auf große Prüforganisationen, die als Gutachter fungieren. Diese Organisationen arbeiten zwar formal unabhängig, sind jedoch oft vertraglich an die Versicherung gebunden und verfolgen daher in erster Linie das Ziel, Kosten zu minimieren. Solche Gutachter könnten möglicherweise den Umfang von Schäden oder die Höhe der Reparaturkosten niedriger ansetzen, als es bei einem unabhängigen Gutachter der Fall wäre.
Versicherungen setzen zunehmend auf den Einsatz von gebrauchten Ersatzteilen, um Kosten zu senken. Große Versicherer haben in den letzten Jahren damit begonnen, vermehrt auf gebrauchte Teile wie Türen, Spiegel oder Rückleuchten zurückzugreifen. Dies ist zulässig, solange die gebrauchten Teile den Herstellervorgaben entsprechen und die Sicherheit des Fahrzeugs nicht gefährdet wird. Besonders bei Fahrzeugen, die älter als drei Jahre sind, kommt diese Praxis häufiger vor, um Reparaturkosten zu senken.
Viele Kaskoversicherungen bieten sogenannte Werkstattbindungstarife an. Diese verpflichten den Versicherungsnehmer, sein Fahrzeug in einer von der Versicherung vorgegebenen Partnerwerkstatt reparieren zu lassen. Solche Werkstätten arbeiten oft zu günstigeren Konditionen für die Versicherung. Das kann bedeuten, dass die Reparaturmethoden eher auf Kostenminimierung ausgerichtet sind, was im Interesse der Versicherung liegt. Beispielsweise kann es vorkommen, dass statt eines kompletten Austauschs von Bauteilen, wie einem Scheinwerfer, lediglich eine kleinere Reparatur (wie die Befestigung einer Lasche) vorgenommen wird. Dies ist in vielen Fällen vertraglich gedeckt, jedoch nicht immer im besten Interesse des Kunden.
Unabhängigkeit ist entscheidend: Versicherungen haben oft ein Interesse daran, die Reparaturkosten möglichst niedrig zu halten. Obwohl die von großen Prüforganisationen eingesetzten Gutachter formal unabhängig arbeiten, agieren sie oft im Auftrag der Versicherung. Versicherungsnehmer sollten sich ihrer freien Wahl des Gutachters bewusst sein und im Zweifel einen unabhängigen Gutachter beauftragen, um sicherzustellen, dass der Schaden vollständig und korrekt erfasst wird.
Reparaturen müssen den Herstellervorgaben entsprechen: Selbst wenn Versicherungen auf kostengünstigere Reparaturen bestehen, müssen diese nach den Herstellervorgaben durchgeführt werden. Abweichungen sind nicht erlaubt, da sie die Sicherheit des Fahrzeugs beeinträchtigen könnten.
Gebrauchte Teile – eine zulässige Praxis: Versicherungen setzen vermehrt auf gebrauchte Ersatzteile, um Kosten zu senken. Diese Praxis ist erlaubt, solange die verwendeten Teile den technischen Standards entsprechen und die Sicherheit des Fahrzeugs nicht beeinträchtigen. Der Austausch durch Neuteile erfolgt nur, wenn dies nicht anders möglich ist.
Werkstattbindung als Vertragsfalle: Viele Versicherungsnehmer entscheiden sich für Tarife mit Werkstattbindung, ohne die langfristigen Auswirkungen zu bedenken. In solchen Fällen gibt die Versicherung vor, welche Werkstatt die Reparaturen durchführt, und dies geschieht häufig zu Bedingungen, die der Versicherung Kostenvorteile verschaffen. Wer die freie Werkstattwahl bevorzugt, sollte darauf bereits bei Vertragsabschluss achten.
Das Gutachterwesen sollte neutral und im Interesse des Geschädigten sowie der Versicherer agieren. In der Realität jedoch neigen viele Versicherungen dazu, den Gutachterprozess zu steuern, um Kosten zu minimieren. Versicherte sollten ihre Rechte kennen und im Zweifelsfall auf einen unabhängigen Gutachter setzen, um sicherzustellen, dass ihre Interessen gewahrt werden.
Beim Vertragsabschluss sollten Versicherungsnehmer auf Klauseln zur Werkstattwahl und zur Verwendung von Ersatzteilen achten, um im Schadensfall keine unangenehmen Überraschungen zu erleben. Die Wahl des richtigen Tarifs und die freie Wahl des Gutachters sind entscheidend für eine faire und transparente Schadensregulierung.